För Hitz ond Brand, Zeitgenössische Kunst in appenzeller Museen, 2007 / http://www.hitzondbrand.ch/index_2.html
För Hitz ond Brand, Zeitgenössische Kunst in appenzeller Museen, 2007 / http://www.hitzondbrand.ch/index_2.html
Der Aufschwung beginnt im Kopf
Dokumentation
(fig 1: general view) (fig 2: general view) (fig 3: detail)
Pascal Häusermann
Der Aufschwung beginnt im Kopf
Schiefertisch mit Gravuren
Pascal Häusermann interessiert sich für die Visualisierungen und Verbalisierungen von Macht als Sehnsucht im Alltag und deckt Strukturen von Machtverhältnissen in unserer Welt und unserer Vorstellung in vielgestaltigen Collagen auf. Neben Serien von Skulpturen, Texttafeln, Collagen, entstehen immer auch Einzelstücke und raumbezogene Installationen. Bekann geworden in der Zürcher Häuserbesetzer-Szene scheint sich der Künstler mit familiär bedingten Appenzeller Verbindungen heute verstärkt an seine Ausbildung zum Steinbildhauer zu erinnern. Seine gravierten Gedenktafeln, wie sie für wichtige Leute und Ereignisse, die Ewigkeit beanspruchen, eingesetzt werden, persiflieren den Machtanspruch der Slogans aus der Werbung. Zitate aus Wirtschafsmagazinen, Bilder aus der Kulturgeschichte, aus Comics, Werbung und Graffiti collagiert Häusermann zu melancholisch gestimmten Hinweisen auf die Absurditäten des Lebens in Auseinandersetzung mit Fragen, die sich bei der Konfrontation mit Macht und Mächtigen aufdrängen.
Das Ortsmuseum Wolfhalden ist in einem unverfälschten Appenzellerhaus mit über 300-jähriger Geschichte untergebracht. Zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges war es als „Wirtschaft zur Krone“ politischer Mittelpunkt der Region.
Pascal Häusermann wird einen alten Schiefertisch ins Museum in Wolfhalden schmuggeln, wo er sich mit dem angestammten Sammelgut des Hauses mischt, dem aufmerksamen Besucher aber irritierend kritische Streiflichter in die Gegenwart bietet und Zeitgenossenschaft in einer Art Science Fiction-Optik und in mythisch anmutenden Verschiebungen behauptet.
Die Schieferplatte ist mit einer Inschrift in traditioneller Frakturschrift versehen, wie sie im Appenzellerland auf bemalten Schränken zu finden ist. „DER AUFSCHWUNG BEGINNT IM KOPF“ ist ein produktungebundener Werbeslogan und suggeriert positive Stimmung, Konsumlust und die Gewissheit, das Konjunktur mit der persönlichen Motivation jedes einzelnen verbunden ist. Die Inschrift ihrerseits begleitet ein klassisch anmutendes Medaillonbild. Der Kopf der Medusa im meandernden Rahmen, das Logo des Modehauses Versace, simuliert in Verbindung mit dem Aussagesatz lineare, aber bald bröckelnde Lesbarkeit. Der Stammtisch als Ort des Rituals im Alltag, wo bei einem Jass und Bier das Dorfleben beredet wird und wo im Fall der „Krone“ gar Regierungsgeschäfte geregelt wurden, stellt dem uneingeschränkten Wirtschaftsglauben traditionelle Grundwerte in visueller Schwerfälligkeit gegenüber. Gleichzeitig suggeriert der Satz im Verbund mit dem Tisch den ersehnten, weltverbundenen Aufschwung einer ländlichen Randregion.
Ohne die eine Zeichensetzung gegenüber der anderen in der irritierenden Verbindung zu werten oder gar zu verurteilen, gelingt es Pascal Häusermann, dass Weitblick und Verbundenheit, Tradition und Innovation, Herkunftsbewusstsein und Zukunftsglaube sich gegenseitig unterwandern. (ubs)