Soloshow, Foundation Binz 39, Zürich
Soloshow, Foundation Binz 39, Zürich
Die grosse Ernüchterung
(fig 1: Die grosse Ernüchterung) (fig 2, 3, 4: Epitaph) (fig 5, 6, 7, 8, 9: objects) (fig 10, 11, 12, 13: Fumettomalia)
Dokumentation
Die Stiftung BINZ39 zeigt in der Ausstellung <<Die grosse Ernüchterung>> Arbeiten des Stipendiaten Pascal Häusermann (*1973 Chur, lebt und arbeitet in Zürich). Davon ist der grössere Teil in den letzten beiden Atelierjahren entstanden, eine spezifische Werkgruppe hingegen wurde während einem halben Jahr Unterbruch im städtischen Atelier in Genua ortspezifisch entwickelt. Was die Präsentation der Werke betrifft, zieht Häusermann eine ausgewählte Werkübersicht der letzten zweieinhalb Jahre einem rein thematischen Ausstellungsdispositiv vor. Der Künstler weiss mit seinen Objekten und Collagen die Betrachterinnen und Betrachter formal wie auch inhaltlich zu irritieren. Zuerst fällt einem die materielle Attraktivität der Werke ins Auge: einmal steht man vor vermeintlichen Steinskulpturen, das andere Mal vor einer vielleicht täuschend echter Steinmetzarbeit? Auf die Sinneswahrnehmung alleine will man sich in diesem Falle nicht verlassen müssen; der geheime, kurze Griff für den Oberflächentest liegt nahe. Inhaltlich spielt der Künstler mit der Konfrontation von immerwährenden Werten kultureller Überlieferung und den vergänglichen Schlagzeilen aus dem Alltag. Die Hauptquellen für sein künstlerisches Schaffen entstammen den alltäglichen schriftlichen Erzeugnissen der Tagespresse und Werbung, sowie er sich auch kultur- und kunsthistorischen Referenzen bedient. In seinen plastischen Arbeiten spielt der Künstler mit der Repräsentation von Macht und konformistischen Werten, welche zum Beispiel die traditionelle Skulptur für sich beansprucht. Die Arbeit „Die grosse Ernüchterung“ zeigt Rodin’s „Denker“ ohne Kopf, neben dem Sockel stehend und umgeben von Leuchtschriften, eine verlorene Un-Statue oder ein Un-Denkmal. Durch ihre Entsockelung verkörpert sie Schwäche und Depression und bricht bewusst mit dem affirmativen Impetus, welcher der traditionellen Skulptur zugrunde liegt. Der Titel „Die grosse Ernüchterung“ entspringt einer Headline aus einem Wirtschafts-Magazin und verleiht der Figur die Aura einer noch gesteigerten Verlorenheit und des Identitätsverlustes. Die Überführung prätentiöser Werbetexte wie „We are designed to be different“, „Born to be free“, „Wirtschaft ist sexy“ in römische Steintafeln stellen gerade beide Komponenten in Frage: die Werbung, welche vorgibt, Wertvorstellungen und kulturelle Identität zu schaffen und die in römischen Schriftzeichen gefertigten Inschriften, die wir in ihrer Ästhetik mit dem Absoluten und Wahren konnotieren.
Unter dem Moto „Kreislauf und Selbstzweck“ laufen die beiden Kleinskulpturen „End in itself“ und „Lacoste together with Nike give Puma a hand trying to catch Nestlé who sits upon MTV“. Beide Objekte stellen Kreisläufe dar, ersteres in Form oraler Selbstbefriedigung, zweiteres in Form eines kämpferischen Reigens, innerhalb dessen die dreidimensional gewordenen Konzern-Logos miteinander verknüpft sind.Bei den Collagen oder Montagen kommt es in den Gegenüberstellungen oder Verwebungen antiker und moderner Sujets zu feineren Kommentaren. Die zum Teil unmerkbar montierten fremdkörperartigen Getiere in eine vertraute Umgebung führen zu surrealistischen Bildeffekten. Die s/w-Serie „Fumettomalia“ ist während des Stipendien-Aufenthaltes im Zürcher Atelier in Genua entstanden. Darin werden Elemente der italienischen Comicskultur (Fumetti) mit Zeichnungen sowie Stichen aus der Renaissance verbunden. Letztere stammen aus einem italienischen Buch mit Darstellung menschlicher und tierischer Anomalien. In neueren, farbigen Collagen werden die Strukturen beider Elemente so fein aufgegliedert, dass in der gegenseitigen Vermischung eine neue Bildsprache entsteht. (Alexandra Blättler und Pascal Häusermann) (Close)